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Lera Lynn: Comic Book Cowboy (Review)

Artist:

Lera Lynn

Lera Lynn: Comic Book Cowboy
Album:

Comic Book Cowboy

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Indie-Pop

Label: Ruby Range Records
Spieldauer: 43:37
Erschienen: 19.09.2025
Website: [Link]

Der Grund, warum LERA LYNNs siebtes Album „Comic Book Cowboy“ bei uns als 'Indie-Pop' gelistet wird, obwohl die Songwriterin aus Nashville ursprünglich aus dem Americana-Sektor ins Musikbusiness startete, ist die unglaubliche musikalische Weiterentwicklung, mit der sie sich über den Verlauf ihrer letzten drei Alben von einer Kategorisierung im klassischen Sinne gelöst hat und nun auf einer Ebene purer musikalischer Selbstverwirklichung angelangt ist. Bereits auf ihrem dritten Album „Resistor“ zeigte sie Ansätze, sich von klassischen Begriffen wie 'Folk', 'Blues' oder 'Country' zu lösen, kehrte aber mit dem Duett-Album „Plays Well With Others“ wieder in den Schoß des Americana-Genres zurück. Seither gab es allerdings kein Halten mehr. Das nun vorliegende „Comic Book Cowboy“ ist jedenfalls musikalisch und stilistisch mit kaum etwas Anderem zu vergleichen.


Aber der Reihe nach: Das Album folgt auf eine Phase der Zurückhaltung, in der sich die Musikerin aus dem Musikbusiness zurück zog, weil sie sich hauptsächlich um die Erziehung ihres Kindes kümmerte. Angesichts des ausbleibenden kommerziellen Erfolges ihrer Kunst erwog sie gar zeitweise, die Musik ganz aufzugeben.
Da ein solches Ansinnen für eine Künstlerin, die aus einem inneren Bedürfnis heraus tätig ist, jedoch kaum zu realisieren ist, machte sie dann konzeptionell Nägel mit Köpfen, und entwickelte ihr neues Werk mit einer trotzigen, sehr inspirierten 'Jetzt erst recht'-Haltung. Musikalisch bedeutet dies, dass es auf „Comic Book Cowboy“ Sounds und Arrangements zu hören gibt, wie sie in der Singer/Songwriter-Szene ihres Gleichen suchen (aber nicht finden werden).


Keiner der 11 Songs – nicht einmal der als Single ausgekoppelte, poppig/mitreißende „Cherry Tree“ – lässt sich konkret bestimmten Stilen oder Genres zuordnen, selbst wenn etwa Pedal-Steel Sounds („Cherry Tree“), Grunge-Akkorde („Same As Hopeless“), West-Coast-Vibes („Both Sides“, das mit dem Songwriter-Kollegen ANDREW COMBS geschrieben wurde, dessen Drummer Dom Billet auch in ihrer Band spielt), Soul-Grooves („Left Turn Lane“) oder New-Wave-Patterns (in dem mit dem Songwriter-Kollegen ETHAN BALLINGER geschriebenen „Digital You“) eigentlich nahelegten.
Jeder Song bietet mit psychedelischen Effekten, unerwarteten Richtungsänderungen oder überraschenden musikalischen Akzenten jeweils ein eigenes (und eigenständiges) Gesicht. Puristen wird das natürlich nicht freuen, aber für LERA LYNN ist diese Eigenständigkeit ein großer kreativer Erfolg.

Warum LERA LYNN und TODD LOMBARDO (ihr Partner in Crime, Life & Music) den Weg wählten, auf diesem Album arrangementtechnisch und musikalisch Wege zu suchen, die nie ein Mensch zuvor beschritten hatte, 'erklärt' Lynn in dem Song „Beige“. Harmonisch und melodisch gehört dieser zu den ambitioniertesten des ganzen Albums, wird aber von einer klanglich psychedelisch getweakten Akustik-Gitarre allein getragen. Widersprüche wie diese sind dabei Teil des Konzeptes. Im Text geht es darum, dass für Lynn in der kontemporären Mainstream-Musik die Verantwortung des Musikers für sein Tun insofern abhanden gekommen ist, als dass dort alles fade auf Gleichklang produziert werde – also eben „Beige“ klinge. LERA LYNN aber möchte von Musik herausgefordert, emotional berührt und zur Not auch zerstört werden, woher die Textzeile „Destroyer – Come Save Me“ rührt.

Im übertragenen Sinne ist „Comic Book Cowboy“ ein Plädoyer für mehr musikalische Risikobereitschaft und emotionale Investition, die den Zuhörer berührt und aus dem Gleichgewicht bringt. Der titelgebende Charakter „Comic Book Cowboy“ ist hierbei die allegorische Repräsentation des Zustandes, in dem sich Lynn zu Beginn der Arbeiten befand: Ein zerzauster Einzelgänger, der den Fokus auf das Wesentliche verloren hatte und dessen Habitus nicht mehr so recht passen wollte. Zweifelsohne hat LERA LYNN ihren Fokus nun wiedergefunden – und zwar indem sie kompromisslos ihre eigene musikalische Linie verfolgte. Dem echten Fan wird das gefallen, denn so gibt es Facetten zu entdecken, die bislang im Verborgenen schlummerten.


FAZIT: Mit dem Album „Comic Book Cowboy“ schlägt LERA LYNN ein neues Kapitel in ihrer Karriere als Songwriterin und Musikerin auf. Nachdem sie bei der Produktion des Albums einen reinigenden Prozess der Selbsterkenntnis und Neujustierung durchlaufen hat, tut sie das kompromisslos, radikal, konsequent – und mit überragendem künstlerischen Erfolg. Auch für LERA LYNN selbst ist dieser Erfolg greifbar. Denn wie heißt es so schön in dem Song „Cherry Tree“: „I am so me now.“

Ullrich Maurer (Info) (Review 68x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
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Tracklist:
  • Comic Book Cowboy
  • Left Turn Lane
  • Cherry Tree
  • Both Sides
  • Beige
  • Into Nothing
  • Now That We Hold It All
  • Same As Hopeless
  • Digital You
  • Let Her Go
  • I Love You
  • Laundry

Besetzung:

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